Interview
Reine Hanfarbeit
Sie kommen aus dem Textilbereich und haben bei Acne Studios gearbeitet. Wie hat die Welt der Mode Ihren kreativen Weg beeinflusst?
Meine Zeit in der Mode- und Textilbranche war ein äußerst wichtiger Moment für die Förderung meiner Kreativität. Sie hat mir das Selbstvertrauen gegeben, meine eigene Ästhetik zu finden, als ich den Sprung in die Bildhauerei wagte. Ich habe sowohl in der Schneiderei als auch im Schuhdesign gearbeitet – in beiden Bereichen geht es viel um die Schichtung von Materialien, um gewünschte Eigenschaften zu erhalten. In diesem Sinne gibt es eine starke Verbindung zu meinem aktuellen Wirken, bei dem ich Objekte Schicht für Schicht forme.
Sie arbeiten in erster Linie mit Hanf. Worin liegen für Sie die Vorteile des Materials?
Industriehanf ist ideal zur Bindung von Kohlendioxid. Er ist ungiftig, langlebig und nachhaltig. Ich habe eine tiefe Verbundenheit zu dem Material entwickelt. Die Art und Weise, wie ich es mit meinen Händen formen kann, die Möglichkeit, dabei jedes Detail zu kontrollieren, begeistern mich. Zudem bin ich unglaublich beeindruckt von dieser Pflanze: Sie braucht wenig Wasser und keine aggressiven Pestizide, und sie hilft, Schadstoffe aus dem Boden zu filtern. Es gibt faszinierende soziale und gemeinschaftliche Projekte rund um Hanf und das natürliche Bauen, einschließlich einer Hanfbaugemeinschaft, der ich in Berlin angehöre. Das alles ist eine große Motivation, weiter mit dem Material zu arbeiten.
Natürliche Rohstoffe rücken wieder in den Fokus. Wie verändert der Einsatz nachhaltiger, regionaler Materialien die Perspektive von Kreativen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern?
Meine Arbeit basiert auf der sorgfältigen Auswahl aller Materialien. Ich fühle mich zu umweltfreundlichen und recycelten Werkstoffen mit möglichst minimalen negativen Auswirkungen auf die Umwelt hingezogen. Dieser Ansatz verringert nicht nur meinen ökologischen Fußabdruck, sondern er steht auch für den Glauben an die transformative Kraft der Kunst. Ich hoffe, dass ich auf diese Weise Verbraucherinnen und Verbraucher zum Nachdenken anregen und zum bewussteren Konsum bewegen kann. Manchmal ist es schwierig, die von mir gewünschte Form nur mit natürlichen Materialien zu erschaffen. Doch dieser Herausforderung stelle ich mich gern.
Sie sind vor einiger Zeit von Berlin aufs Land in Südfrankreich gezogen. Was fasziniert Sie am Leben fern der Großstadt?
Das Land ist nicht nur ein physischer Ort, sondern Essenz meiner künstlerischen Entwicklung. In der Stille ländlicher Umgebung finde ich Zuflucht: Die Natur nährt die Wurzeln meiner Kreativität.
Sie möchten mehr als Kunstobjekte aus Hanf schaffen. Was genau planen Sie?
Mein Traum ist es, ein Hanfhaus zu bauen. Unser derzeitiges Zuhause in Frankreich ist nur zwei Minuten entfernt von dem Grundstück, auf dem wir das verwirklichen möchten. Seit unserem Umzug im letzten Frühling haben wir erst einmal das Steinhaus, in dem wir jetzt leben, renoviert. Das war für uns eine tolle Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln. Ich glaube, dass man sich vor Baubeginn Zeit geben sollte, um sich wirklich an einem Ort einzuleben.
Verraten Sie uns Ihre Inspirationsquellen für Ihre Kunst?
Neben dem Lesen und Anschauen von Dokumentarfilmen zu ganz unterschiedlichen Themen finde ich Anregungen in der Natur. Ich liebe es, dort Stücke in schönen Formen und Farben zu suchen und sie in meinem Atelier zu sammeln. Diese natürlichen Objekte helfen mir, in eine kreative Stimmung zu kommen.
Was machen Sie am liebsten, wenn Sie nicht gerade neue Werke kreieren?
Lesen, wandern und lange Spaziergänge mit meinem Hund – manchmal kombiniere ich diese Aktivitäten zu einem ganztägigen Abenteuer in der Natur. Im Moment verbringe ich außerdem den Großteil meiner Freizeit damit, Französisch zu lernen.
Foto: Kathrin Leisch, https://kathrinleisch.com/, https://www.instagram.com/kathrin.leisch/